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Warum schaffe ich es einfach nicht, mich zu motivieren?



Vielleicht liegt es nicht an dir. Sondern an deinem Nervensystem.

Du kennst dieses Gefühl vielleicht: Du willst eigentlich Yoga machen. Oder dich bewegen. Oder dir einfach mal eine Pause gönnen. Aber stattdessen scrollst du. Machst weiter. Bleibst im Tun. Und irgendwann fragst du dich: „Warum kriege ich das nicht hin? Warum sabotiere ich mich selbst?“


Die Wahrheit ist: Es ist keine Selbstsabotage. Es ist keine fehlende Disziplin. Und du bist nicht faul.

Dein Körper fühlt sich in der Entspannung vielleicht einfach (noch) nicht sicher. Und dein Nervensystem schützt dich – auch wenn es sich im Alltag gerade anders anfühlt.

Was du als „Versagen“ interpretierst, ist in Wahrheit oft ein Schutzmechanismus, den dein Körper klug aufgebaut hat.


Denn wenn wir früh gelernt haben, dass Stille, Pausen oder Ruhe gefährlich sein können – weil dann Gefühle hochkamen, die niemand gehalten hat – dann ist es kein Wunder, dass dein System lieber im Machen-Modus bleibt. Auch wenn das erschöpfend ist.


Immer wieder spüre ich, wie sehr mein Körper sich nach Bewegung, Yoga, Atmung, Verbindung sehnt. Und doch… ich tue es nicht. Oder nur selten. Ich nehme mir die Zeit nicht, obwohl ich weiss, wie gut es mir tun würde.

Früher hätte ich vielleicht gedacht: "Ich bin halt gerade undiszipliniert. Zu wenig Tapas (Selbstdisziplin) Ich muss mich einfach wieder zusammenreissen."Heute weiss ich: Es geht um etwas viel Tieferes.


Stress gibt uns Sicherheit


Was ich bei mir beobachte, begegnet mir auch oft in meiner Arbeit mit Frauen: Wir leben in einem konstanten Modus des Funktionierens. Wir planen, organisieren, halten alles zusammen – für die Familie, den Beruf, die Welt da draussen. Und sobald eine Lücke entsteht, in der eigentlich Raum für Selbstfürsorge, Bewegung oder Regeneration wäre, kommt etwas dazwischen.


Doch manchmal ist es nicht der volle Terminkalender, der uns blockiert – sondern ein unbewusstes Muster in unserem Nervensystem.



Fotograf: Radj Cesar
Fotograf: Radj Cesar
Das Nervensystem bevorzugt das Bekannte – selbst wenn das Bekannte Stress ist.

Der Zustand des „Machens“, des „Immer weiter“, fühlt sich oft sicherer an als der Moment der Entspannung. Denn in der Ruhe könnten Gefühle auftauchen, Erinnerungen, Schmerz. Dinge, die unser System irgendwann weggeschoben hat, um weiterzumachen.


Unser Nervensystem besteht vereinfacht gesagt aus zwei Hauptsystemen:


  • dem Sympathikus, zuständig für Aktivität, Leistung und Kampf-oder-Flucht-Reaktionen

  • dem Parasympathikus, zuständig für Entspannung, Regeneration und Heilung

Traumaforschung – insbesondere durch die Arbeit von Stephen Porges (Polyvagal-Theorie) – zeigt, dass viele Menschen, die frühe oder wiederholte Stress- oder Traumaerfahrungen gemacht haben, in einem dauerhaften Zustand sympathischer Übererregung oder sogar in einem sogenannten „functional freeze“ leben.

Das bedeutet: Man funktioniert. Aber der Körper steht innerlich unter Spannung. Und sobald man beginnt, in die Entspannung zu gehen, meldet sich das Alarmsystem.

Laut der Polyvagal-Theorie ist unser ventraler Vagusnerv entscheidend für das Gefühl von Sicherheit und sozialer Verbindung. Doch wenn dieser Teil unseres Nervensystems unterentwickelt oder blockiert ist, kann Entspannung sogar Angst machen. Studien zeigen, dass Menschen mit komplexem Trauma oft eingeschränkte vagale Flexibilität aufweisen – das heisst, sie können nicht mehr leicht zwischen Anspannung und Entspannung wechseln (Kok et al., 2014).


Warum Yoga und Meditation manchmal zu früh überfordern

Vielleicht hast du es auch schon erlebt: Du setzt dich hin, atmest tief ein – und statt innerer Ruhe spürst du plötzlich Druck, Unruhe oder sogar Tränen. Das ist kein Zeichen, dass „du nicht meditieren kannst“. Sondern ein Zeichen, dass dein Körper gerade noch nicht sicher genug ist, um zu entspannen.


Das bestätigt auch die Forschung von Bessel van der Kolk (Autor von "The Body Keeps the Score") – er beschreibt, dass Menschen mit Traumaerfahrung häufig erst dann Zugang zu tiefer Entspannung finden, wenn sie sich körperlich sicher fühlen und Kontrolle über die eigene Reaktion behalten (van der Kolk, 2014).


Der Teufelskreis

Was entsteht, ist ein paradoxer Kreislauf:

  1. Du spürst: Ich bräuchte jetzt Bewegung, Yoga, Pause.

  2. Du tust es nicht, weil es sich irgendwie unsicher anfühlt.

  3. Du fühlst dich schuldig, weil du es nicht „geschafft“ hast.

  4. Du bist noch weiter im Stressmodus – der sich zwar erschöpfend, aber „bekannt“ anfühlt.

  5. Dein Nervensystem verfestigt das Muster: „Entspannung ist nicht sicher.“


Was wirklich hilft: Sicherheit aufbauen – in kleinen Schritten

Die gute Nachricht ist: Heilung ist möglich. Aber sie beginnt nicht mit Disziplin. Sie beginnt mit Sicherheit.


Hier sind ein paar Wege, wie du dein Nervensystem liebevoll begleiten kannst:

1. Mikropraktiken statt ganzer Sessions→ Lege dich 3 Minuten in die Kindshaltung. Oder bewege dich 2 Minuten lang im Atemrhythmus. Kleine, regelmässige Impulse wirken oft tiefer als grosse Sprünge.

2. Co-Regulation nutzen→ Suche dir Momente von Nähe, Verbindung, Berührung. Auch ein gemeinsames Yoga oder sanftes Schaukeln mit jemandem, dem du vertraust, kann Wunder wirken.

3. Affirmationen für das Nervensystem → „Ich darf mich sicher fühlen, auch wenn ich nichts leiste.“→ „Ich bin bereit, meinem Körper langsam wieder zu vertrauen.“ Dabei sich selbst umarmen oder umarmen lassen.

4. Atemübungen mit verlängertem Ausatmen→ Z. B. 4 Sekunden einatmen, 6–8 Sekunden ausatmen. Das aktiviert den ventralen Vagus und hilft dem Körper, in den Ruhemodus zu kommen.

5. Natur, Berührung, Rhythmus→ Barfuss laufen, in einen Baum lehnen, dich selbst umarmen. Auf der Erde liegen. Dein Körper erinnert sich, wie Sicherheit sich anfühlt.


Mein Weg zurück zur Verbindung

Ich beginne zu begreifen: Es braucht keinen perfekten Moment, um wieder bei mir anzukommen. Es braucht keine Kraftanstrengung, keinen disziplinierten Start. Nur den nächsten, ehrlichen, kleinen Schritt – einen Hauch von Mut, mich selbst wieder zu spüren.

Ich muss nicht stark sein, um Yoga zu machen. Ich darf sanft sein. Ich darf mich für 5 Minuten auf den Boden legen,meine Hände auf mein Herz legenund einfach wahrnehmen:

Ich bin da. Ich bin genug. Jetzt.


Und je mehr ich mir selbst erlaube, nichts leisten zu müssen, desto mehr Raum entsteht. Raum für Heilung. Raum für echte Begegnung mit mir. Raum für das, was lange keinen Platz hatte.


Vielleicht hast du dich in diesen Zeilen wiedergefunden? Dann möchte ich dir sagen: Du bist nicht allein.Was du spürst, macht Sinn. Dein Körper ist weise. Und er hat dich bis hierher getragen – mit allem, was war.


Wenn du möchtest, begleite ich dich auf deinem Weg zurück zu dir. Mit Yogatherapie, mit sicherem Raum, mit Mitgefühl. Oder einfach mit Worten, die dich erinnern.

Vielleicht ist heute der Tag für deinen nächsten kleinen Schritt. Nicht weil du musst. Sondern weil du darfst.

Ich bin da.


Von Herz zu Herz,

Nora




 
 
 

1 Comment


Sulamith
Sulamith
vor 7 Tagen

Oh my dear 🫶🏼 was für ein wundervoller Blogbeitrag!!! Berührt mich gerade wieder soooooo tief! Ich bin exakt auf demselben Weg seit einiger Zeit. Oh wie es bei komplex traumatisierten Menschen viel Zeit, Ameisenschritte und Resilienz brauch um immer wieder neu anzufangen, diese Tools zu nutzen. Ich fühle deine Worte bis tief in meine Seele! Danke für diese Zeilen 🙏🏼

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